"The Morning Show": Warum mögt ihr mich nicht? (2024)

Die Serie "The Morning Show" war wohl die beste Erzählung über #MeToo im seriellen Erzählen. Doch die Fortsetzung ist nur mit viel Geduld oder Vorspulen zu ertragen.

Eine Rezension von Carolin Ströbele

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Als AppleTV+ im November 2019 mit in den "Krieg der Streamer"zog, war die Serie The Morning Show der Headliner der neuen, schicken Plattform. Jennifer Aniston und Reese Witherspoonspielten darin die konkurrierenden Moderatorinnen Alex Levy und Bradley Jackson,Steve Carell den sexuell übergriffigen Co-Anchorman Mitch Kessler, der schließlichentlassen wird. Für ein US-amerikanisches Publikum hatte diese Konstellationbesondere Brisanz, war sie doch eine eindeutige Anspielung auf den Fall Matt Lauer.Der Moderator der Today Show auf NBC hatte 2017 ebenfalls nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung den Senderverlassen müssen.

Wie die Showrunnerin Kerry Ehrin den#MeToo-Fall ihres fiktiven Nachrichtenmanns Kessler und seiner AngestelltenHannah Shoenfeld (Gugu Mbatha-Raw) in der MorningShow in all seinen Nuancen und Sichtweisen beleuchtete, war bemerkenswert.Vor allem, wie sich Kesslers Figur im Laufe der Geschichte wandelte. Ein besonderer Moment der Serie war ein Gespräch, das er in der Mitte der Serie mit einem alten Freund führt, in der Hoffnung, vondiesem "freigesprochen" zu werden. Dieser Freund erweist sich jedoch als der weitausschlimmere Misogynist und hält Kessler einen Spiegel vor ­– in dem dieser dasBild eines Mannes sieht, der er auf keinen Fall sein möchte.

Keine Person war zu böse, keine zu gut gezeichnet in dieserersten Staffel, selbst Jennifer Aniston zeigte eine gewisse Bandbreite ihresschauspielerischen Könnens. Der Guardiansprach sogar von einer "Offenbarung".Sie präsentierte glaubwürdig all die widerstreitenden Gefühle, die in ihrerFigur vorgehen – die Verbundenheit mit dem langjährigen Fernsehpartner, andererseitsdie Solidarität mit den betroffenen Frauen.

Dies alles muss erwähnt werden, um die große Erwartung andie zweite Staffel zu erklären, die nun auf AppleTV+ angelaufen ist. Und diesich leider in keinerlei Hinsicht erfüllt. Visuell legt die Morning Show zwar noch ordentlich was drauf,die Einstiegsszene zeigt aus der Vogelperspektive ein pandemisch leeres Manhattan.Gerade als man sich fragt, ob man vielleicht in die 12. Staffel von The Walking Dead geraten ist, setzt dieHandlung ein – exakt da, wo sie im November 2019 endete. Alex Levy(Aniston) und Bradley Jackson (Witherspoon) attestieren vor laufender Kamera demOber-Senderchef Fred Micklen Mitwisserschaft und Vertuschung sexueller Übergriffe im Sender, dann wird das Testbildeingeblendet und beide Frauen werden aus dem Gebäude geschafft.

Ein Jahr später, kurz vor dem Jahreswechsel 2020, gelten die zwei Frauen als Speerspitze des amerikanischen Feminismus, die Führungsspitze ist erneuert, Micklen entlassen. Die NewcomerinBradley Jackson moderiert weiter die Morning Show,muss aber erfahren, dass niemand sie so richtig ernst nimmt. Alex Levy hingegen hat sichvom Fernsehen abgewandt und schreibt nun auf ihrem Landsitz ihre Memoiren, mussaber erfahren, dass die ganze Welt eigentlich nur eines interessiert: Hatte sieselbst eigentlich was mit ihrem Mit-Anchor Kessler oder nicht? Kessler wiederum sitzt in einem Palazzo am Comer See und guckt so traurig wie, ja,sein Hund, den man sich offenbar anschafft, wenn man nicht mehr Anchor ist(Alex Levy hat auch einen). Er muss erfahren, dass sich eine attraktive italienische Dokumentarfilmerin für ihn interessiert und überlegt nun, ob das Leben nicht doch noch etwas für ihn vorgesehen hat.

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Kessler ist nach wie vor die interessanteste Figur in derganzen TV-Schickeria. An seiner Figur versucht die Serie zu beleuchten, wie eineGesellschaft mit Menschen umgeht, die Fehler begangen haben, vielleicht auchStraftaten. Werden diese Menschen bestraft, geächtet, ausgestoßen oder setztman auf Integration, auf Versöhnung?

Die zweite Staffel der AppleTV+-Serie The Morning Show stellt diese Frage, nein, sie schreit sie ziemlichlaut heraus, aber zurück kommt nur die angstvoll gehauchte Frage "Bin ichgecancelt?" Da die Figur des Mitch in der erstenStaffel weitgehend auserzählt wurde, exerzieren die Autoren dasReizwort Cancel Culture an verschiedenen Nebenfiguren durch und verlieren sich dabei immer wieder im Ungefähren. So muss sich der WettermannYanko Flores (Nestor Carbonell) für eineunpassende Bemerkung im Zusammenhang mit native americans vor der Kamera entschuldigen, kurz darauf schlägt er einenMann nieder, der die Personalchefin (Greta Lee) auf der Straße rassistisch beleidigt. Ebendiese Personalchefin stellt ihn dann wegen dieses Gewaltausbruchs frei. Die Moral soll offenbar sein: "Nie kann man es euch recht machen." Wie dann mit dem Mann weiterverfahren wird, ist unklar. Am Ende steht er jedenfalls wieder vor einerKamera, aber dann gibt es längst schon andere Probleme.

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